Easyjet-Bilanz: BER zwischen Potenzial und Preisdruck

Easyjet ist mit 16 Prozent Marktanteil bisher einer der Platzhirsche am BER. (Foto: Günter Wicker | Flughafen Berlin Brandenburg GmbH)

Easyjet war einst Hoffnungsträger am neu eröffneten Flughafen Berlin Brandenburg (BER). Doch aus der ambitionierten BER-Strategie ist ein nüchterner Rückbau geworden. Easyjet-CEO Kenton Jarvis erklärt in einem Interview nun die Gründe – und spart dabei nicht mit Kritik an der deutschen Luftfahrtpolitik.

Noch vor wenigen Jahren schien der (BER) ein zentraler Baustein in der Wachstumsstrategie von EasyJet zu sein. Die Airline übernahm zahlreiche Strecken und stationierte mehr als 30 Flugzeuge in der Hauptstadt. Heute ist von diesem Ausbau nur noch ein Bruchteil geblieben. Für den neuen Easyjet-CEO Kenton Jarvis liegt das aber weniger am Flughafen selbst, sondern an den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin SPIEGEL sieht Jarvis die Schuld vor allem bei der Politik, die die „exorbitant hohen Gebühren“ zu verantworten habe. Während andere europäische Länder den Luftverkehr fördern, steige in Deutschland die Kostenlast kontinuierlich. Jarvis vergleicht die Gebühren am BER mit denen am Easyjet-Drehkreuz London Gatwick – dort entsprechen die Kosten nur einem Bruchteil.

Die [Kosten] sind irre im Vergleich zu anderen Ländern, und das zahlen alles die Kunden: über ein geringeres Angebot und höhere Preise.
Kenton Jarvis | Easyjet-CEO

Easyjet-CEO Jarvis: „Wir haben heute einen Marktanteil von 16 Prozent in Berlin und sind damit ziemlich zufrieden.“
(Foto: Tim Anderson | easyJet)

Konsolidierung statt Wachstum – Easyjets BER-Strategie

Die hohe Gebührenlast zeige sich auch im Passagieraufkommen. Denn die Fluggastzahlen im deutschen Luftverkehr haben sich seit der Corona-Pandemie langsamer erholt als in anderen europäischen Ländern. Von einst über 30 stationierten Flugzeugen sind bei Easyjet heute nur noch elf Maschinen in Berlin verblieben.

Der Luftfahrtexperte Heinrich Großbangardt sieht die Schuld für die Entwicklung aber nicht ausschließlich bei den hohen Standortkosten in Deutschland. Im Gespräch mit dem Westdeutschen Rundfunk erklärte er, dass die hohen Gebühren sicherlich ein Aspekt seien, „aber eigentlich liegt es an zwei Dingen: den Gebühren und daran, dass die Fluggesellschaften, die mit 737 und auch A320, A321neo fliegen, gerade Probleme mit der Kapazität haben.“ Die knappen Kapazitäten würden dort eingesetzt, wo pro Ticket drei, vier, fünf Euro mehr erlöst werden. Das sei rationales wirtschaftliches Handeln und das wirke sich dann zum Nachteil des Standorts Deutschland aus.

Im SPIEGEL-Interview widerspricht Easyjet-Chef Jarvis aber dieser Darstellung. Der Grund sei nicht etwa ein Mangel an Fluggerät. Die Entscheidung, sich von Berlin zurückzuziehen, sei ein bewusster Rückzug aus einem unprofitablen Umfeld: „Wir waren in Berlin einfach viel zu groß mit mehr als 30 Flugzeugen, wenn man die Kosten sieht. Air Berlin hatte das versucht, die sind gescheitert. Wir haben heute einen Marktanteil von 16 Prozent in Berlin und sind damit ziemlich zufrieden.“

Easyjet und Ryanair sind sich einig

Auch der Easyjet-Konkurrent Ryanair bewertet die Lage auf dem deutschen Markt hinsichtlich der hohen Standortkosten kritisch. Als Konsequenz haben die Iren bereits im November angekündigt, ihr Sommerangebot in Deutschland um 12 Prozent reduzieren zu wollen. Ryanair-Chef Eddie Wilson forderte Verkehrsminister Volker Wissing damals auf, die Luftverkehrssteuer (15,53 Euro pro Ticket) und Flughafengebühren zu senken. Nur so könne Deutschland seinen Flugverkehr und Tourismus wiederbeleben.

Ryanair-CEO Eddie Wilson fordert von der neuen Bundesregierung, die Luftverkehrssteuer komplett abzuschaffen. (Foto: Ryanair)

Nun geht Ryanair noch einen Schritt weiter und kündigt an, ihr Passagieraufkommen in Deutschland auf 34 Millionen pro Jahr mehr als verdoppeln zu wollen – unter der Voraussetzung, dass die neue deutsche Bundesregierung die Luftverkehrsteuer komplett abschafft und auch andere Gebühren deutlich senkt. Geplant ist eine Investition von drei Milliarden Dollar in neue Flugzeuge, 1.000 neue Arbeitsplätze sowie zusätzliche Strecken. Allerdings dürfte die Offerte von Ryanair wohl eher ein Scheinangebot im Buhlen um öffentliche Aufmerksamkeit sein. Denn in dem Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD ist zwar von möglichen Entlastungen die Rede. Eine Abschaffung der Luftverkehrssteuer scheint aber nicht geplant.

Forderungen an neue Bundesregierung

Die Forderung von Easyjet-Jarvis scheint bei den Koalitionären in spe hingegen angekommen zu sein: Im SPIEGEL-Interview fordert er die nächste Bundesregierung auf, die Kosteninflation im Luftverkehr zu stoppen. Es brauche realistische Gebühren, eine Wachstumsstrategie und das Bewusstsein, dass Luftverkehr nicht nur Umweltkosten verursacht, sondern auch wirtschaftlicher Motor sein kann.

Bei einem genaueren Blick in den Koalitionsvertrag wird deutlich, dass die Branche durchaus mit Entlastungen bei der Ticketsteuer rechnen kann. Denn der Vertrag greift wesentliche Forderungen der Airlines auf. Konkret heißt es im Vertrag: „Die luftverkehrsspezifischen Steuern, Gebühren und Abgaben wollen wir reduzieren und die Erhöhung der Luftverkehrsteuer zurücknehmen.“ Außerdem will die neue Bundesregierung „die Modernisierung in der Luftfahrtindustrie und des Luftverkehrs in Richtung fairer Wettbewerb und Dekarbonisierung gestalten“.

BER bleibt für Easyjet wichtig

Im Interview macht Jarvis zwar klar, dass Easyjet den Flughafen Berlin Brandenburg weiterhin bedienen will. Gleichzeitig wird aber deutlich, dass vor allem die weitere Entwicklung der Gebührenstruktur und der politischen Prioritäten darüber entscheiden, ob die Airline wieder häufiger von und nach Berlin fliegen wird.

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