
Am Flughafen Cochstedt im Salzlandkreis ist das Nationale Zentrum für Unbemannte Luftfahrtsysteme eröffnet worden. Die Forscher wollen auf dem Gelände autonome Drohnen und Hubschrauber testen. Dort soll aber auch die Luftfahrtindustrie neue Drohnen erproben können.
Wenn über den Flughafen Magdeburg-Cochstedt gesprochen wird, dann ging es in der Vergangenheit meist um Pleiten, Pech und Pannen. Erst Anfang der 1990er Jahre wurde der einstige Luftwaffen-Stützpunkt der Sowjets mit Millionensummen für eine zivile Nutzung als Regionalflughafen umgebaut. Doch die Investitionen zahlten sich nie aus – von einem Millionengrab war die Rede. Denn es gab kaum eine Airline, die sich regelmäßig auf das kleine Flugfeld westlich von Staßfurt verirrte. Lediglich der irische Billigflieger Ryanair flog ein paar Jahre von und nach Cochstedt. Doch auch das ist schon seit acht Jahren Geschichte.
Forschungs- statt Verkehrsflughafen
Aber der Landesregierung ist es dann doch noch gelungen, eine Perspektive für den Flughafen zu finden. Statt Urlauber in Richtung Urlaub abzufertigen, können Forscherinnen und Forscher am Flughafen Cochstedt nun unter realen Bedingungen ausprobieren, wie unbemannte Flugsysteme in unseren Alltag integriert werden können. Denn am Mittwoch wurde das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betriebene Freiraumlabor offiziell eröffnet.
Zuvor suchte das DLR bundesweit nach einem Gelände, um autonome Drohnen und Hubschrauber für die zivile Luftfahrt testen zu können. Im Gespräch waren zeitweise über 20 Flughäfen. Am Ende konnte sich aber Cochstedt durchsetzen. Einer der unschlagbaren Vorteile war die dünn besiedelte Umgebung, ein anderer die ausgesetzte, aber noch immer bestehende Betriebserlaubnis. Dadurch kann der Flughafen vergleichsweise unkompliziert wieder in Betrieb genommen werden.
Ich bin mir auch sicher, dass es die Region voranbringt und den Wissenschafts- und Innovationsstandort Sachsen-Anhalt deutlich stärkt.
Reiner Haseloff (CDU) | Ministerpräsident Sachsen-Anhalt

Diesen Standortvorteil hätte es aber fast nicht gegeben, berichtet Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bei der digitalen Eröffnung des Testzentrums. So habe er den damaligen Finanzminister Jens Bullerjahn einst davon abhalten müssen, das Flughafengelände in Cochstedt zurückzubauen. Auch Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Armin Willingmann (SPD) zeigte sich im Gespräch mit Luftraum Ost froh darüber, dass der Flughafen nun weiter betrieben werden könne. Willingmann sagte, man habe mit dem Forschungszentrum vor den Toren Magdeburgs einen großen Coup gelandet. Das Projekt sei wesentlich sinnvoller, als dort zum Beispiel einen weiteren Windpark anzusiedeln.
Flugbetrieb wird im kleinen Rahmen wieder aufgenommen
Ähnlich sieht das auch Anke Kaysser-Pyzalla, die Vorstandsvorsitzende des DLR. Technologieentwicklung, Zertifizierung und die Arbeit an neuen Regelwerken könnten in Cochstedt Hand in Hand mit der Industrie und Behörden umgesetzt werden. In einem ersten Schritt soll im Laufe dieses Jahres daher der Flughafen wieder in Betrieb genommen werden, erklärt Daniel Sülberg, der Leiter des Erprobungszentrums: „Das hat den großen Vorteil, dass man gewisse Vorzüge wie beispielsweise einen ausgewiesenen Luftraum hat und gleichzeitig ist es eben auch eine der größten Herausforderungen, unbemannte Luftfahrtsysteme in den bemannten Flugverkehr zu integrieren. In unserem geschützten Mikrokosmos in Cochstedt können wir das parallel ausprobieren.“
An unserem Standort Cochstedt geht eine europaweit einmalige Einrichtung dieser Art an den Start.
Anke Kaysser-Pyzalla | DLR-Vorstandsvorsitzende

Wie brisant dieses Forschungsthema ist, zeigen zahlreiche Zwischenfälle in den vergangenen Jahren. So haben Verkehrspiloten allein im Jahr 2020 fast 100 Behinderungen durch Drohnen im deutschen Luftraum gemeldet. Der Deutschen Flugsicherung zufolge werden im Extremfall dann keine Start- und Landefreigaben mehr erteilt, was einer Flughafenschließung gleichkommt. So war Anfang 2020 der Frankfurter Flughafen bei zwei Zwischenfällen für insgesamt viereinhalb Stunden gesperrt.
Das Problem der Drohnen: Sie sind zu klein und können vom Bordradar der Flugzeuge nicht erfasst und von den Piloten kaum gesehen werden. Eine Kollision mit einer Drohne könnte ein Flugzeug dabei schwer beschädigen. Das haben Wissenschaftler der University of Dayton in einem Crashtest nachgewiesen. Die Forscher feuerten eine Amateurdrohne auf die Tragfläche eines Leichtflugzeugs. Dabei drang die Drohne so tief in die Struktur der Tragfläche ein, dass sie eine Querstrebe beschädigte. Wäre es in der Luft zu dieser Kollision gekommen, hätte das fatale Folgen für die Sicherheit des Flugzeugs gehabt.
Drohnen gewinnen in der Luftfahrt an Bedeutung
Dass die Forscher des DLR in Cochstedt eine Lösung für dieses Problem finden, ist aber enorm wichtig. Denn in Zukunft werden Drohnen noch eine viel größere Rolle spielen, glaubt auch Thomas Jarzombek (CDU), der Koordinator für Luft- und Raumfahrt im Bundeswirtschaftsministerium. Er sieht vor allem bei den breiten Anwendungsfeldern sehr viel Potenzial: „Schnell, zuverlässig und kostensparend können solche Drohnen sogar Menschenleben retten, etwa bei Medikamentenlieferungen. Aber auch in der Landwirtschaft, beim Umweltschutz oder beim Handwerk haben Drohnen riesiges Potenzial.“
In Zukunft spielt Jarzombek zufolge auch der Industriestandort Deutschland eine zunehmend größere Rolle beim Bau von Drohnen. Bereits heute hätten zahlreiche hochwertige Drohnenhersteller ihren Sitz in der Bundesrepublik. Drohnenökonomie sei also ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Willingmann dürfte das gern hören, hofft er doch darauf, dass sich Cochstedt auch zu einem Anziehungspunkt für Unternehmen aus der Luftfahrt- oder Logistikbranche entwickeln wird und damit weitere neue Arbeitsplätze in die Region kommen. Doch Luftfahrkoordinator Jarzombek dämpft diese Hoffnungen: „Für uns ist Cochstedt zu aller erst ein Wissenschaftsort, ein Testzentrum um wirklich experimentelle Flugtechnologie auszuprobieren.“