Ostdeutschlands Wirtschaft fordert Kehrtwende in Luftverkehrspolitik

Mit rund 25,5 Millionen Passagieren im vergangenen Jahr ist der BER der größte Flughafen in Ostdeutschland. (Foto: Günter Wicker | Flughafen Berlin Brandenburg GmbH)

Die neue Branchenanalyse des Flughafenverbandes ADV zeigt: Deutschlands Airports kämpfen weiter mit den Spätfolgen der Corona-Pandemie, viele Standorte bleiben hinter den Erwartungen zurück. Luftraum Ost hat deshalb genauer hingeschaut – und nachgefragt, wie es in Ostdeutschland aussieht. Von Dresden bis Rostock fordert die Wirtschaft deshalb eine Kehrtwende in der Luftverkehrspolitik: Weniger Steuern, niedrigere Gebühren und eine gemeinsam abgestimmte Strategie für die Zukunft kleinerer Airports.

Kairo, Algier, Singapur, Hanoi, Lagos, Damaskus, Luana und natürlich Havanna – vor nicht einmal vier Jahrzehnten konnten vom einstigen Zentralflughafen Berlin-Schönefeld aus diese Destinationen direkt erreicht werden – vorausgesetzt man durfte reisen. Denn all diese Ziele gehörten damals zum Streckennetz der Interflug. Die Airline war aber nicht nur für den Flugbetrieb in der DDR verantwortlich, sondern auch für die Verwaltung der verschiedenen Flughäfen des kleinen Landes. Nach der Wende wurde die Interflug abgewickelt und mit ihr Tausende Mitarbeiter in die Arbeitslosigkeit entlassen. Die Flugzeuge sowjetischer Bauart verschwanden größtenteils im Schrott oder landeten in Museen. Was blieb, waren die Flughäfen. Diese wurden vor allem in den 90er-Jahren zwar umfassend modernisiert – doch statt unter dem Dach der Interflug buhlten sie fortan allein und meist mit viel Unterstützung vom Steuerzahler um neue Flugverbindungen.

Wirtschaftskammern schlagen Alarm: Ostdeutschland droht Abkopplung

Heute – 35 Jahre nach der Wiedervereinigung – stellt sich für viele der ostdeutschen Flughäfen die drängende Frage: Welche Rolle werden sie künftig im deutschen Flugverkehr spielen, und wie können sie in einem globalisierten Markt bestehen? Die Flughäfen selbst verfolgen verschiedene Strategien und haben zum Teil auch schon ganz eigene Antworten gefunden. Die Industrie- und Handelskammern in Ostdeutschland drängen Recherchen von Luftraum Ost zufolge nun aber auf eine gemeinsame Antwort: Ostdeutschland braucht nicht nur funktionierende Flughäfen, sondern auch eine politische Offensive für seine Luftverkehrsanbindung. Ohne sie, so der Tenor der Kammern, wird der Osten bei der Anbindung an die globale Luftfahrt dauerhaft ins Hintertreffen geraten – mit gravierenden Folgen für Wirtschaft, Tourismus und internationale Sichtbarkeit.

„Wir sehen die Notwendigkeit einer aktiven politischen Unterstützung des Luftverkehrs in den ostdeutschen Bundesländern“, mahnt etwa die IHK Dresden auf Nachfrage von Luftraum Ost an. „Ohne diese Unterstützung, insbesondere im Bereich der Luftverkehrssteuer und der Flughafengebühren, wird es schwer sein, einen rentablen Luftverkehr aufrechtzuerhalten.“ Damit spricht die Dresdner Kammer aus, was auch die anderen von Luftraum Ost befragten Kammern umtreibt: Die staatlichen Belastungen sind hoch, die Passagierzahlen vielerorts noch nicht auf Vor-Corona-Niveau zurückgekehrt und die Konkurrenz im internationalen Wettbewerb ist groß.

Gemeinsamer Nenner: Wettbewerbsfähigkeit

Dass sich die Kammern so klar und einig äußern, ist nicht selbstverständlich. Die ostdeutsche Luftfahrt ist mit ihren unterschiedlichen Standorten überaus heterogen: Da gibt es mit Leipzig/Halle einen europäischen Frachtriesen und nahe der Bundeshauptstadt einen neuen Großflughafen – zwar mit viel Punkt-zu-Punkt-Verkehr aber ohne umfassende Drehkreuz-Funktion. Dresden und Erfurt verbinden zwar zwei Landeshauptstädte, sind aber ansonsten kaum miteinander vergleichbar. Im Norden Ostdeutschland gibt es zudem noch den kleineren Flughafen Rostock-Laage, der zwar im Dornröschenschlaf liegt, für Mecklenburg-Vorpommern aber dennoch unverzichtbar zu sein scheint. Ihre Strukturen und Märkte unterscheiden sich, auch die industriellen Schwerpunkte vor Ort sind nicht deckungsgleich.

Ostdeutsche Flughäfen werden auch aufgrund der hohen Standortkosten von vielen Airlines nicht angeflogen. (Foto: Richard Eriksson | CC BY 2.0)

Doch was alle Flughafen eint, sind die im Vergleich zu den benachbarten Airports im Ausland hohen Standortkosten. Deshalb fordert die IHK zu Rostock auf Nachfrage von Luftraum Ost, dass sich die ostdeutschen Bundesländer „geschlossen für eine Stärkung des Luftverkehrs“ einsetzen. Wer den Luftverkehr hier zukunftsfähig machen wolle, brauche maßgeschneiderte Förderansätze. Dieser länderübergreifende Schulterschluss sei notwendig, da alle ostdeutschen Regionen mit ähnlichen strukturellen Herausforderungen wie einer geringeren Bevölkerungsdichte und längeren Distanzen zu internationalen Drehkreuzen konfrontiert sind.

ADV-Analyse: Flughäfen sind unverzichtbare Standortfaktoren

Die ostdeutschen Industrie- und Handelskammern haben damit die Richtung klar benannt: Ohne eine stärkere politische Unterstützung drohen die Regionalflughäfen zwischen globalen Hubs im Westen und wachsenden Konkurrenzstandorten im Ausland ins Hintertreffen zu geraten. Doch wie bewertet die Branche selbst die Rolle der ostdeutschen Airports? Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV) sieht in den ostdeutschen Standorten einen integralen Bestandteil des nationalen Luftverkehrssystems. „Die Flughäfen Leipzig/Halle, Dresden, Erfurt und Rostock nehmen im deutschen Luftverkehrsnetz jeweils spezifische und unverzichtbare Funktionen wahr“, erklärt ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel Luftraum Ost. Sie sicherten die Anbindung der Regionen an nationale und internationale Märkte und stärkten damit deren Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit.

Es bedarf einer Neuausrichtung der Luftverkehrspolitik in unserem Land. In Deutschland muss sich die Erkenntnis durchsetzen, dass jede Maßnahme zur Stärkung des Luftverkehrs ein Beitrag für mehr Wohlstand und Wachstum insgesamt ist.
Ralph Beisel | ADV-Hauptgeschäftsführer

Ralph Beisel( Foto: Flughafenverband ADV)

Leipzig/Halle sei „als einer der wichtigsten Frachtflughäfen Europas ein zentraler Logistikhub, der weit über die Region hinaus Impulse für Wirtschaft und Beschäftigung setzt“. Dresden, Erfurt und Rostock wiederum seien „essenziell für die touristische Erreichbarkeit und die Anbindung mittelständischer Unternehmen“. Jeder dieser Standorte übernehme eine Schlüsselrolle für die Integration Ostdeutschlands in das nationale und internationale Verkehrsnetz.

Gleichzeitig spart Beisel die Herausforderungen nicht aus. So funktioniere das Prinzip der Nutzerfinanzierung nur so lange, wie die staatlichen Belastungen durch Steuern und Gebühren im internationalen Wettbewerb nicht überhandnähmen. „Das schwächt die wirtschaftliche Grundlage der Flughäfen, weil Airlines den deutschen Markt meiden, erschwert Investitionen und macht sie weniger attraktiv“, so Beisel. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, sei eine „Neuausrichtung der Luftverkehrspolitik in unserem Land“ nötig. Ein erster und dringlicher Schritt ist Beisel zufolge die Rücknahme der jüngsten Erhöhung der Luftverkehrsteuer.

Erstmal keine Rücknahme der Luftverkehrssteuer

Diese Rücknahme war bereits im Koalitionsvertrag von Union und SPD festgehalten worden – allerdings nur unter Finanzierungsvorbehalt. In dem Ende Juli vorgestellten Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) findet sich die Senkung der Ticketsteuer aber nicht wieder. Wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) aus Regierungskreisen erfahren hat, sind momentan keine keine Spielräume im Bundeshaushalt abzusehen. Auf Nachfrage von Luftraum Ost erklärte das Bundesministerium für Verkehr (BMV) aber, sich weiter für eine Rücknahme der Erhöhung der Luftverkehrssteuer einsetzen zu wollen.

Eine gezielte luftverkehrspolitische Förderung einzelner ostdeutscher Flughäfen ist dem BMV zufolge aber nicht geplant. Das Bundesverkehrsministerium arbeitet nach eigenen Angaben aber an einer nationalen Luftfahrtstrategie. Das Haus von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) teilt dazu mit: „In einer Strategie zur Stärkung des Luftverkehrsstandortes werden wir auch dazu Maßnahmen aufnehmen, die den Standort stärken und damit auch deutsche Luftfahrtunternehmen und Flughäfen unterstützen.“ Inwieweit die Stimmen aus Ostdeutschland dort Gehör finden und welche konkreten Maßnahmen in dieser neuen Luftfahrtstrategie verankert werden sollen, bleibt bislang offen. Klar ist jedoch: Die Erwartungshaltung der Branche ist hoch – vor allem in Ostdeutschland.


Flughäfen im Fokus: Die Standorte im Überblick


Dresden: Hightech-Region braucht bessere Anbindung

Der Flughafen Dresden ist aus Sicht der IHK vor allem für die Erreichbarkeit der Halbleiterindustrie in der Region wichtig. (Foto: Mitteldeutsche Flughafen AG)

Für die Region ganz im Osten des Landes sind vor allem die großen Entfernung zu den wichtigen deutschen Hubs Frankfurt und München eine große geographische Herausforderung. Denn Dresden ist nicht nur ein touristisches Juwel, sondern vor allem auch ein Industriestandort von internationaler Bedeutung: Das „Silicon Saxony“ gehört zu Europas größtem Halbleiterstandort, die am Flughafen Dresden beheimateten Elbe Flugzeugwerke sind global gefragt für den Umbau und die Wartung von Airbus-Großraumflugzeugen. Beide Branchen sind auf eine Anbindung an den Luftverkehr angewiesen, teilte die IHK Dresden Luftraum Ost mit: „Menschen leben von der persönlichen Begegnung – dazu muss man reisen“, heißt es von der Kammer.

Doch diese Begegnungen werden erschwert, wenn Fluggesellschaften gar nicht mehr nach Dresden fliegen. Ein Hauptgrund für fehlende Flüge und damit auch Fluggäste von und nach Dresden sieht die IHK unter anderem bei den tschechischen Nachbarn: „Wenn Flughafengebühren in Prag durch günstige staatliche Rahmenbedingungen um ein Mehrfaches unter denen der sächsischen Flughäfen liegen, beeinflusst dies naturgemäß die Flugplanung.“ Im Jahr 2024 nutzten knapp 882.000 Passagiere den Flughafen – das waren etwa fünf Prozent weniger als im Jahr zuvor. Im gleichen Zeitraum verzeichneten die deutschen Flughäfen aber ein durchschnittliches Wachstum bei den Fluggastzahlen von fast acht Prozent. Für einen Flughafen in einer wachsende Metropolregion mit Hightech-Industrie ein fatales Signal.

Leipzig/Halle: Frachtriese durch Dresden unter Druck

DHL nutzt den Flughafen Leipzig-Halle als Drehscheibe für Paketfracht. (Foto: Mitteldeutsche Flughafen AG)

Nur rund 120 Kilometer entfernt – aber in der Luftfahrtlogik weltentrückt – liegt Leipzig/Halle. Hier schlägt das Herz der mitteldeutschen Luftfracht: Etwa 1,4 Millionen Tonnen Cargo wurden 2024 abgewickelt, mit rund 2,2 Millionen Passagieren zählt der Flughafen zu den wichtigsten Drehkreuzen Ostdeutschlands. Im Gespräch mit Luftraum Ost bezeichnete Alf Rost, Verkehrsreferent bei der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau den Airport zwar als ein „Tor für Mitteldeutschland“ – räumt aber ein, dass sich das reine Frachtaufkommen in der Region in Grenzen halte. Allerdings sei die Anbindung an die Luftfracht vor allem für die Pharma- und die chemische Industrie von großer Bedeutung.

Doch auch dieser Frachtriese steht zunehmend unter Druck – und das liegt auch an Dresden. Denn die Mitteldeutsche Flughafen AG (MFAG) betreibt beide Standorte. Nun hat die MFAG angekündigt, konzernweit rund 170 Stellen streichen zu wollen (€). Parallel dazu spitzt sich die Debatte um den Dresdner Flughafen selbst zu: Sachsen-Anhalt – mit knapp 19 Prozent Anteil an der Mitteldeutschen Flughafen AG – kündigte an, ab 2027 keine Zuschüsse für den defizitären Standort in der sächsischen Landeshauptstadt mehr zahlen zu wollen. „Das Land Sachsen-Anhalt will sich an Verlusten, die durch den Flughafen Dresden entstehen, nicht weiter beteiligen“, erklärte Sachsen-Anhalts Finanzminister Michael Richter (CDU). Auf die Frage, wie es dann in Dresden weitergehen soll, hat bislang aber weder Sachsen-Anhalts noch Sachsens Landesregierung eine Antwort.

Ein Ende des regulären Flugbetriebs in Dresden kann sich die Wirtschaft in der Region aber kaum vorstellen. Nach Einschätzung der IHK ist der Airport für Standortentscheidungen und Neuansiedlungen „ein entscheidender Faktor“ und damit unverzichtbar. Die Kammer setzt deshalb nicht auf Abwicklung, sondern auf Kooperation: Dresden und Leipzig/Halle sollten als komplementäre Standorte gedacht werden, die ihre jeweiligen Stärken gezielt weiterentwickeln. Gerade die vorhandene Infrastruktur in Dresden – vom direkten S-Bahn-Anschluss bis zur unmittelbaren Autobahnanbindung – biete dafür eine solide Grundlage.


Rostock-Laage: Flughafen zwischen Tourismus und Luftwaffe

Die kommerzielle Fluggastbetrieb in Rostock-Laage dümpelt seit Jahren vor sich hin. (Foto: Marcus Sümnick | CC BY 3.0)

In einer ähnlichen und doch ganz unterschiedlichen Situation befindet sich dieser Tage auch der Flughafen Rostock-Laage. Für Mecklenburg-Vorpommern ist der Flughafen der einzige größere im ganzen Bundesland. Entsprechend wichtig ist er auch in der Region, wie die IHK zu Rostock Luftraum Ost erklärt: „Insbesondere für den Zugang zu nationalen und internationalen Märkten spielt er eine zentrale Rolle.“ Ohne den Flughafen wäre das Land demnach „luftverkehrstechnisch abgehängt“.

Die Kammer sieht vor allem langfristig enormes Potenzial für den Flughafen, von dem dann die exportorientierten Industrieunternehmen, die maritime Wirtschaft, der Maschinen- und Anlagenbau sowie der Tourismus profitieren könnten. Auch Forschungseinrichtungen mit internationalen Partnerschaften – etwa in der Medizintechnik oder die Erneuerbare-Energien-Branche – seien auf schnelle Verbindungen angewiesen. Linienflüge nach Frankfurt, München oder Amsterdam könnten die wirtschaftliche Erreichbarkeit sichern, Direktverbindungen aus Skandinavien oder Großbritannien die Tourismuswirtschaft stärken. Gleichzeitig könnte der Airport stärker mit dem Seehafen Rostock verzahnt werden, um Luft- und Seefracht zu kombinieren.

Doch stattdessen dümpelt der zivile Flugbetrieb seit Jahren vor sich hin, Linienverbindungen sind weitgehend eingestellt, das touristische Potenzial ungenutzt. In die wenigen Flugzeuge, die sich nach Rostock verirren, steigen meist Urlauber ein. Geschäftsreisende nutzen nach Einschätzung der IHK seit einiger Zeit deshalb notgedrungen verstärkt die Bahnverbindungen, insbesondere nach Berlin und Hamburg.

Mit dem vor einigen Wochen angekündigten Eigentümerwechsel vom bisherigen Betreiber Zeitfracht zur Industriebeteiligung Crisp Partners schien zunächst eine neue Perspektive greifbar – doch auch dieser Schritt wirft nun zunehmend Fragen auf. „In der aktuellen Lage würde ich viele Fragezeichen setzen“, sagte Rostocks Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Linke) der Deutschen Presse-Agentur. Von Crisp Partners, die sich bereits als neuer Eigentümer präsentiert hatten, lägen bislang keine offiziellen Unterlagen vor; Kröger selbst habe lediglich einen Anruf erhalten. Auch Luftraum Ost hat in den vergangenen Wochen wiederholt versucht, mit dem bisherigen und möglichen neuen Betreiber des Flughafens ins Gespräch zu kommen. Allerdings blieben E-Mail-Anfragen unbeantwortet und zugesicherte Rückrufe bislang aus.

In der Region herrscht deshalb verständlicherweise große Verunsicherung. Touristiker schlagen bereits Alarm. Kai Otto, der Chef des Veranstalters PTI Panoramica mahnte in einem Schreiben an Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Wirtschaftsminister Wolfgang Blank (parteilos), der Flughafen müsse unbedingt erhalten bleiben um Urlauber aus Südeuropa aufnehmen und Kreuzfahrtgäste anbinden zu können. Der Norden Europas werde für Menschen aus südlichen Regionen zunehmend attraktiv, so Otto in seinem Schreiben.

In welchem Umfang eine zivile Nutzung des Airports in Zukunft möglich sein wird, ist aber derzeit auch unklar. Denn die Bundeswehr nutzt einen Teil des Geländes für ihre Luftwaffe und einem Bericht der Ostsee-Zeitung zufolge (€) prüft sie derzeit, wie sich ein möglicher Eigentümerwechsel auf die militärische Mitnutzung auswirken könnte. Ohne konkret auf Laage einzugehen, erklärte das Bundesverteidigungsministerium, die veränderte Sicherheitslage erfordere einen deutlichen Aufwuchs der Streitkräfte. Bundesweit würden Liegenschaften dementsprechend überprüft.

In Rostock-Laage ist seit 2022 die nördliche Alarmrotte der Luftwaffe vorübergehend stationiert. Immer wieder steigen die Eurofighter von Laage aus auf, um russische Flugzeuge über der Ostsee zu identifizieren und zu begleiten (Foto: Luftwaffe)

Die IHK zu Rostock sieht in der Nähe zur Bundeswehr aber nicht nur einen Unsicherheitsfaktor, sondern durchaus eine Chance. „Die strategische Ausrichtung des Flughafens Rostock-Laage kann durch die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr deutlich gestärkt und in mehreren Richtungen weiterentwickelt werden“, so die Kammer. Genannt werden Synergieeffekte, die den Standort stabilisieren und ihm eine Rolle als Verteidigungs- und Logistikdrehscheibe geben könnten.

Zudem ermögliche die militärische Nutzung eine wirtschaftliche Diversifizierung, weil schwankende zivile Nachfrage besser abgefedert werden kann. Auch neue Arbeitsplätze in Wartung, Logistik, Sicherheit oder IT seien denkbar. Auf diese Weise könnte Rostock-Laage sein Profil als sicherheitsrelevanter Standort mit überregionaler Bedeutung schärfen und zum Partner für Industrie und Forschung im Bereich wehrtechnischer Entwicklungen werden, so die Kammer.

Ob der Flughafen künftig wieder stärker ins Liniennetz eingebunden oder seine Bedeutung als ziviler Flugplatz gänzlich verlieren wird, ist derzeit aber noch völlig offen. Welchen Weg der Airport einschlagen kann, hängt auch davon ab, ob der angekündigte Eigentümerwechsel tatsächlich so stattfinden kann. Ob die noch unklaren Pläne des neuen Betreibers dann tragfähig sein werden, steht noch einmal auf einem ganz anderen Blatt Papier geschrieben.


BER: Hauptstadtflughafen mit Langstrecken-Dilemma

Im bundesweiten Vergleich sind die Fluggastzahlen am BER zuletzt überdurchschnittlich stark gestiegen. (Foto: Anikka Bauer | Flughafen Berlin Brandenburg GmbH)

Deutlich optimistischer nach vorn schauen kann man hingegen am Flughafen Berlin Brandenburg. Der nimmt in der ostdeutschen Luftverkehrslandschaft eine gewisse Sonderrolle ein. Denn während kleinere Regionalflughäfen um ihre Zukunft bangen, kann sich der Hauptstadtflughafen seit dem Ende der Corona-Pandemie über ein beständiges Wachstum freuen. Im Jahr 2024 nutzten rund 25,5 Millionen Passagiere den neuen Flughafen im Süden des alten Schönefelder Platzes. Immerhin ein überdurchschnittliches Plus von mehr als zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Flughafen bleibt damit der größte Flughafen Ostdeutschlands und auch der einzige mit interkontinentalen Passagier-Verbindungen.

Von diesen könnte es aber aus Sicht von Robert Rückel noch deutlich mehr geben. Denn der Vizepräsident der IHK Berlin findet: „35 Jahre nach der Wiedervereinigung muss die Anbindung der deutschen Hauptstadt endlich das Niveau einer Hauptstadt erreichen.“ Deshalb hat die IHK Berlin unter anderem gemeinsam mit anderen regionalen Kammern, der Messe Berlin, der Flughafengesellschaft und der Dehoga Berlin die „Luftverkehrsinitiative Berlin Brandenburg“ ins Leben gerufen.

Die Initiative fordert zuallererst eine Senkung der Standortkosten wie Luftverkehrssteuer, Luftsicherheits- und Flugsicherungsgebühren. Mit Blick auf die derzeit vom BER angeflogenen Ziele ist aber die Forderung nach einer Verbesserung der internationalen Konnektivität Berlins besonders relevant. Hier sieht die Initiative Anpassungsbedarf bei bilateralen und multilateralen Luftverkehrsabkommen, insbesondere um mehr Langstreckenverbindungen – etwa nach China oder in den Mittleren Osten – vom BER zu ermöglichen.

Erst im Juli hatte Emirates im Interview mit airliners.de erneut Interesse an Berlin gezeigt (€). Bisher scheiterten entsprechende Pläne der Airline aber am politischen Widerstand, das Luftverkehrsabkommen zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu erneuern. Nach dem 1994 unterzeichneten Abkommen darf Emirates nur vier deutsche Flughäfen anfliegen. Das sind aktuell Frankfurt, München, Düsseldorf und Hamburg.

Unabhängig von Emirates ist es dem BER in den letzten Jahren aber auch kaum gelungen, nennenswerte Langstreckenverbindungen zu etablieren. Hoffnung setzt der Airport auf die vor wenigen Wochen gestartete Verbindung nach Kanada. Ob dieses Angebot die hohe Nachfrage nach attraktiven Interkontinentalverbindungen wirklich bedienen kann, wird sich in den kommenden Monaten erst noch zeigen. An dem strukturellen Problem Berlins wird die neue Verbindung aber nur schwerlich etwas ändern können: Wenn Reisende von Berlin aus in die USA oder nach Asien fliegen möchten, sind sie am BER häufig auf Umsteigeverbindungen angewiesen. Für die Wirtschaft in Ostdeutschland bedeutet das nicht nur längere Reisezeiten, sondern auch höhere Kosten – ein klarer Standortnachteil im internationalen Wettbewerb.


Erfurt: Kleine Zahlen, große Hoffnungen

Der Flughafen Erfurt-Weimar wird derzeit vor allem touristisch genutzt. Geht es nach der IHK Erfurt, soll sich das aber in Zukunft ändern. (Foto: Carsten Steger | CC BY-SA 4.0)

Konnektivität und internationale Langstrecken sind am Flughafen Erfurt-Weimar hingegen kaum ein Thema. Der Flughafen am Rande der thüringischen Landeshauptstadt spielt im Passagierverkehr nur eine Nebenrolle – 2024 nutzten ihn lediglich rund 170.000 Fluggäste. Zuletzt konnte sich der Flughafen aber wieder über steigende Fluggastzahlen freuen. Allein während der Sommerferien habe man knapp 64.000 Passagiere abgefertigt und damit eine Steigerung von 121 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum erreicht, so der Airport. Nach Einschätzung von Flughafen-Geschäftsführerin Susanne Hermann könnte sich die gute Entwicklung in den Herbstferien fortsetzen. Am Ende des Jahres käme man dann auf etwa 250.000 Fluggäste – so viele wie seit 2018 nicht mehr. Doch bereits damals war der Flughafen für das Land Thüringen ein Zuschussgeschäft.

Das werde auch von der Unternehmerschaft in der Region immer wieder kontrovers diskutiert, erklärte die IHK Erfurt Luftraum Ost auf Nachfrage. Die Kammer räumt selbst ein, dass der Flughafen den „60.000 Thüringer Unternehmen im näheren Umfeld kaum einen Mehrwert bietet“. Doch genau darin sieht sie ein bislang ungenutztes Potenzial: Der Standort müsse völlig neu gedacht werden.

„Für den Flughafen braucht es ein neues Konzept, welches sich auch an den Bedürfnissen der Unternehmen in der Region orientiert“, fordert die Kammer. Das bedeutet: weg von der fast ausschließlich touristischen Nutzung, hin zu einem Fokus auf Geschäftsreisen, internationale Besucher und den Güterverkehr – „bedarfsgerecht, agil und unternehmernah“. Im Idealfall, so die IHK, werde der Flughafen künftig als integraler Bestandteil des thüringischen Logistikportfolios wahrgenommen, der den Wirtschaftsstandort ergänzt und voranbringt.

Dabei ist der Druck hoch, denn die Konkurrenz in Leipzig, Berlin und Frankfurt ist groß. Umso wichtiger sei es, „jedes Potenzial in Thüringen zu nutzen“, betont die Kammer. Zugleich fordert sie eine ehrliche Debatte über die Wirtschaftlichkeit: Subventionen müssten „auf ihre langfristige Tragfähigkeit überprüft werden“. Doch ganz ohne staatliche Unterstützung werde es nicht gehen, denn der Flughafen sei Teil der „systemrelevanten Infrastruktur“ im Land. Investitionen in Straßen, Brücken und Schienen reichten nicht aus – auch Flughäfen müssten in diese Logik einbezogen werden, wenn der Wirtschaftsstandort Thüringen erreichbar und zukunftsfähig bleiben solle.


Zukunft der ostdeutschen Airports entscheidet über Anbindung des Ostens

Vor 35 Jahren endete mit der Abwicklung der Interflug eine Ära, in der Ostdeutschland seine Flughäfen noch aus einer Hand betrieb. Heute ist von dieser Einheit nichts mehr übrig und die Wirtschaft drängt deshalb wieder auf eine bessere Zusammenarbeit der Flughäfen. Doch noch ringen die fünf sehr unterschiedlichen Standorte um ihre Rolle im nationalen und internationalen Luftverkehr.

So verschieden Dresden und Leipzig, Rostock, Erfurt und Berlin auch sein mögen – sie eint die Frage, ob die Politik ihnen die Luft zum Atmen lässt. Zwischen hohen Steuern, knappen Budgets und wachsendem Konkurrenzdruck müssen sie beweisen, dass ostdeutsche Flughäfen nicht bloß Subventionsempfänger, sondern Standortfaktoren sind. Ob sie diese Chance bekommen, entscheidet auch darüber, ob Ostdeutschland in der globalisierten Welt angebunden bleibt – oder erneut Gefahr läuft, abgehängt zu werden.

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