Kommentar: Der Osten darf nicht länger auf den Kranich hoffen

Wegen hoher Standortkosten droht die Lufthansa mit weiteren Streckenstreichungen – auch in Leipzig/Halle und Dresden. (Foto: Oliver Roesler | Lufthansa)

Die Lufthansa baut in Dresden und Leipzig/Halle Stellen ab und droht ihr ohnehin schon stark reduziertes Streckennetz von beiden Airports aus weiter einzuschränken. Für Ostdeutschland ist das ein deutliches Signal: Der Kranich ist längst kein gesamtdeutscher Flag Carrier, sondern verfolgt seine eigenen wirtschaftlichen Interessen. Ein Kommentar.

Fluggäste werden es kaum bemerken, für die Luftfahrtstandorte Leipzig/Halle und Dresden ist es aber dennoch eine bittere Nachricht. Die Lufthansa zieht sich mit Beginn des Winterflugplans Ende Oktober aus der Bodenabfertigung an den beiden sächsischen Airports zurück.

Nur wenige Tage zuvor hatte Lufthansa-Chef Jens Ritter in den Raum gestellt, unrentable Verbindungen – darunter auch die nach Leipzig/Halle und Dresden – streichen zu wollen, sollten sich die Rahmenbedingungen nicht verbessern. Gemeint sind die hohen Standortkosten an deutschen Airports.

Zwei Signale innerhalb weniger Tage, beide mit derselben, wenn auch indirekten Botschaft: Ostdeutschland steht für den Kranich nicht im Zentrum der strategischen Planung.

Unternehmenslogik statt Regionalpolitik

Das ist kein Affront gegen den Osten, sondern Ausdruck einer klaren Konzernstrategie. Lufthansa ist ein börsennotiertes, gewinnorientiertes Unternehmen. Die Aufgabe der Geschäftsführung ist es, Rendite zu erwirtschaften und die Aktionäre zufriedenzustellen. Dass man sich deshalb auf die Drehkreuze Frankfurt und München konzentriert, ist betriebswirtschaftlich folgerichtig. Regionale Infrastrukturpolitik gehört eben nicht zum Mandat des Konzerns.

Gerade deshalb ist es unverständlich, wenn Politik und Wirtschaft (übrigens nicht nur in Ostdeutschland) weiter so tun, als wäre die Lufthansa ein Unternehmen, das im Rahmen der staatlichen Daseinsfürsorge den Anschluss der Regionen an das weltweite Flugnetz zu gewährleisten hat.

Der Kranich ist kein Garant für Standortpolitik, sondern ein Global Player mit eigenen wirtschaftlichen Interessen. Wer glaubt, dass die Airline aus regionaler Verantwortung heraus Verbindungen in Dresden oder Leipzig/Halle aufrechterhält oder den Großraum Berlin mit Langstreckenflügen bedient, wird immer wieder enttäuscht werden.

Verantwortung liegt bei Politik und Wirtschaft

Diese regionale Verantwortung liegt vielmehr bei den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern. Sie müssen sich von ihrer Kranichfixierung lösen, alternative Geschäftsmodelle entwickeln und Partner finden, die die internationalen Anbindungen sichern – unabhängig davon, ob die Lufthansa fliegt oder nicht.

Dass es Alternativen gibt, zeigt gerade ein Beispiel aus Ostwestfalen: Dort wurde die neue Fluggesellschaft Skyhub PAD von verschiedenen lokalen Unternehmern ins Leben gerufen. Anfang September hat man mit angemieteten Maschinen den Flugbetrieb zwischen Paderborn und München wieder aufgenommen, nachdem die Lufthansa diese Verbindung Ende Mai eingestellt hatte.

Einen Weg suchen und finden

Das Paderborner Modell wird sicherlich nicht eins zu eins beispielsweise auf Dresden übertragbar sein. Klar ist aber, dass das „Silicon Saxony“ um Globalfoundries und Infineon, aber auch die Elbe Flugzeugwerke und Bosch auf internationale Erreichbarkeit angewiesen ist. Für sie bedeutet jeder gekappte Flug nicht nur längere Reisezeiten für Mitarbeiter und Geschäftspartner, sondern auch ein handfestes Standortproblem.

Die Lehre muss daher lauten: Statt in der Defensive zu verharren, braucht es neue Ideen und Partner. Ostdeutschland darf seine Anbindung an den Weltmarkt nicht länger vom Wohlwollen eines einzelnen Unternehmens abhängig machen. Der Kranich fliegt, wohin es sich lohnt – deshalb ist es jetzt an Politik und Wirtschaft, neue Wege zu gehen.

2 Gedanken zu „Kommentar: Der Osten darf nicht länger auf den Kranich hoffen“
  1. Vorneweg, schön, dass Sie hier aus der östlichen Perspektive die hiesigen Flughafenstandorte so engagiert betrachten! Danke dafür!
    Und ein sehr richtiger Einwurf. Denn nationale UltraKurzstreckenflüge werden kaum noch tragbar sein… Steuern hin oder her… Die Landwege werden langsam aber stetig ausgebaut, Wirtschaftlichkeiten verändern sich unter regulatorischen Druck, gesellschtlichen Veränderungen oder den Grenzen der Physik. Und in diesem Sinne kann man der sächsischen Staatkanzlei und der von Ihr dominierten AirportHolding nur wünschen endlich die Flughafenstandorte für das Land oder besser gleich für Mitteldeutschland zukunftsfest aufzustellen. Ob hier DRS langfristig eher mächtig untersetztes Wunschdenken ist oder wirklich so Standortrelevant für die Chipindustrie und nicht etwa dem immer schon etwas großspurigem Dresdener Beamtenapparat sollte zunehmend kritischer beleuchtet werden. Der BER Standort ist aufjedenfall mit der Aufgabe von TXL ca, 1h in Richtung Dresden herangerobbt, nicht so sehr in die Leipziger Richtung…

    Klar ist: Mitteldeutschland hat einen ZentralFlughafen mit ordentlich Traffic im Angebot, welcher über eine infrastrukturelle Einbindung verfügt, die man in Polen mit dem CPK erst noch mit Millarden aufbauen möchte – jede Landeshauptstadt ist hier in knapp einer Stunde erreichbar, zentral im Autobahn und Hochgeschwindigkeitsnetz der Bahnen verortet, die Länder hätten es in der Hand direktere Verbindungen in die allermeisten Ober und Mittelstädte durch zB auch mit REs direkt zu gestalten – dass eben ein Standort seine CoreCatchment Area auch ordentlich bediehnt. Und Traffic ist ordentlich da, man kennt den Standort im Airlinegeschäft, aber eben für Fracht, nicht für PAXe…

    Bleibt der starke Konkurrent BER, dessen schwächelnde Aufbauphase die Mitteldeutschen Flughäfen kaum für die Entwicklung eines langfristig schlagfertigen Streckennetzes, meiner Meinung aus dem Grund des indifferenten politischen Auftrags der Doppestruktur nutzen konnte und nun beständig an diesen Capital-Standort verlieren wird. Zugegeben – all die Expats und Zugewanderten in der Leipziger Region sind fast noch nie über LEJ oder DRS geflogen, sondern eben gleich ab BER oder FRA…
    In diesem Sinne wäre es gut, wenn die drei Länder sich endlich gemeinsam auf eine Standort einigen um an die Drehkreuze in der etwas auch für Standort, Region und Airline lohnendern Kurzstrecke von knapp +/-1000km sich zu integrieren und schlagfertige Spotverkehre anzubieten. Magdeburg hat sich entschieden, Erfurt hält auch nicht mehr lange durch, bleibt eben noch die Dresdner Kapitale einzusehen, dass sie es gleichzeitig alleine gegenüber BER und PRG nicht aufnehmen kann, eben nur gemeinsam am LEJ fürs Land…
    Mit etwas Glück würde es dann neben BER noch ein recht schlagfertigen zweiten Flughafen im Osten geben, der Linienflüge zB nach IST, VIE ausbaut, CDG und/oder AMS wieder aufnimm, und dann noch ein paar Traumdestinationen anbindet, ja und vielleicht auch wieder WIZZ Air gewinnt, Destinationspolitisch wesentlich relevanter als die so gern besprochene Ryanair. Wenn Rostock dann noch eine rasche Verbinung Richtung CPH über die Ostsee im Angebot hat ist der Osten dann auch so gut wie nie international angebunden, dass es nicht viel mehr braucht. Und die Dresdner haben es wirklich nicht weit zum BER, PRG oder eben LEJ, genauso wie die Erfurter Genossen… Andernfalls bleibt aller Wahrscheinlichkeit in 10 Jahren eh nur der BER erhalten, LEJ als unbeliebte NachtFrachtQuelle ohne elebbaren Mehrwert für dessen Nachbarn und Laage als der Jagdflieger-Standort – ich denke unsere Zeit hat die Entscheidung in der Hand hier die Zukunft zu gestalten oder weiter Träumen einer Ära Biedenkopf anzuhängen…

  2. Und die Idee der Paderborner ist gar nicht falsch – und da sollte doch auch was in Leipzig zu machen sein – wie wäre es mit einer Demonstratoren-Airline der Deutschen Aircraft mit Kraftstoffen aus Leuna und Bitterfeld, entwickelt in Delitzsch und unterstützt durch die DHL und Konsorten… da sollte man doch so manch Interline abkommen, aber bitte nicht mit der LH, sondern zu Drehkreuzen zu denen es sich auch lohnt zu fliegen.
    Ja und ein Werksverkehr ab DRS sollte dann auch vom Xten Forschungsflughafen der Region machbar sein – aber dieser hat in seinem EntwicklungsPatchwork in Klotzsche auch wirklich potenzial, inklusive S-BahnAnschluss…

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