
Monatelang war er abgebaut und wurde aufwendig restauriert – jetzt leuchtet er wieder: Der Schriftzug „BERLIN – TEMPELHOF„ ist zurück auf dem Dach des ehemaligen Flughafens. Die blau schimmernden Lettern erinnern nicht nur an die architektonische Größe des monumentalen Bauwerks, sondern auch an seine bewegte Geschichte – vom nationalsozialistischen Prestigeprojekt über die Luftbrücke bis hin zum Symbol demokratischer Stadtkultur.
Seit Freitagabend leuchtet der ikonische Schriftzug am Tempelhofer Feld wieder. Eine südlich des Areals installierte Live-Webcam zeigt die reaktivierte Anlage. Laut der landeseigenen Tempelhof Projekt GmbH war der etwa 42 Meter lange Schriftzug im Oktober 2024 abgebaut und anschließend denkmalgerecht instand gesetzt worden.
Jeder der etwa zwei Meter hohen Buchstaben wurde gereinigt und ausgebessert; durchgerostete Blechstellen wurden ersetzt, der stark verwitterte Anstrich vollständig erneuert. Bemerkenswert: Die 213 Leuchtstoffröhren sowie viele Elektrobauteile stammen noch aus den frühen 1970er-Jahren – und konnten größtenteils erhalten bleiben.
Die aus Stahlträgern bestehende Unterkonstruktion wurde vollständig sandgestrahlt und neu beschichtet. In den vergangenen Tagen wurden die großen Leuchtbuchstaben dann schrittweise auf das Dach montiert und angeschlossen, sodass sie nun, wie in ihrer ursprünglichen Funktion, wieder blau über das Vorfeld leuchten.
Sanierung der historischen Substanz
Die Restaurierung der großen Lettern erfolgte dabei im Zuge einer noch laufenden Dach- und Betondeckensanierung. Diese ist nach Aussage der Betreibergesellschaft dringend notwendig, um die Tragfähigkeit des stützenfreien Vordachs sicherzustellen. Wohl erst Anfang 2027 werden diese Arbeiten abgeschlossen sein. Die geschätzten Gesamtkosten der Sanierung belaufen sich auf rund 32 Millionen Euro; etwa 210.000 Euro hat allein die Restaurierung des Schriftzugs gekostet – finanziert aus dem Sondervermögen Infrastruktur Wachsende Stadt und Nachhaltigkeitsfonds (SIWANA).
Dass der markante Schriftzug „BERLIN – TEMPELHOF“ nun wieder über dem ehemaligen Flugfeld zu sehen ist, macht vor allem die historische Bedeutung dieses Ortes sichtbar. Erinnern die leuchtenden Buchstaben doch an die lange, wechselvolle und oft widersprüchliche Geschichte des Flughafens – eines Ortes, der architektonisch, politisch und emotional Spuren in der Stadt und bei den Menschen hinterlassen hat.
Ein Flughafen mit Geschichte – und Geschichten
Die Ursprünge des einstigen „Zentralflughafens“ reichen bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück, als das Areal noch als Exerzierplatz und ab 1909 gelegentlich als Flugplatz diente. Erst 1923 wurde hier ein Linienbetrieb aufgenommen. Zu dieser Zeit entwickelte sich Berlin zu einem Zentrum des Luftverkehrs. Das konnte man auch an den immer schneller wachsenden Verkehrszahlen in Tempelhof sehen. Starteten und landeten 1924 noch 476 Verkehrsflugzeuge, waren es ein Jahr später bereits mehr als 4.700. Den 1.706 Passagieren 1924 folgten 20.428 Passagiere im Folgejahr. Bis Ende des Jahrzehnts entwickelte sich Tempelhof so zum verkehrsreichsten Flughafen Europas.
Eine erstes Abfertigungsgebäude wurde errichtet. Die wartenden Fluggästen konnten sich in einem Friseursalon auf die Reise vorbereiten, im Restaurant ihren Hunger stillen oder von der Besucherterrasse das Treiben auf dem Flugfeld beobachten. Ab 1927 war Tempelhof sogar an das Berliner U-Bahn-Netz angebunden – damals ein absolutes Novum. Nach den Worten des britischen Stararchitekten Sir Norman Foster entstand zu dieser Zeit mitten in Berlin die „Mutter aller modernen Flughäfen“.
Prestigeprojekt des Nationalsozialismus
Doch sein heute noch erhaltenes Erscheinungsbild erhielt der Flughafen erst unter der nationalsozialistischen Regierung Hitlers. Zwischen 1936 und 1941 entstand nach Plänen des Architekten Ernst Sagebiel ein Neubau, der als Paradebeispiel für die nationalsozialistische Architektur gilt. Mit einer Fassadenlänge von über einem Kilometer, riesigen Hallen und marmorgekleideten Empfangsbereichen ist das Gebäude heute das größte Baudenkmal Europas. Die monumentale Gestaltung diente der Repräsentation eines vermeintlich modernen, technisch überlegenen Deutschlands.
Die Anlage war als eine Art Schaufenster des Dritten Reichs gedacht, in dem Funktionalität und Machtinszenierung Hand in Hand gingen. Tempelhof fügte sich in die gigantomanische Vision einer Welthauptstadt Germania ein, mit der das NS-Regime seinen Anspruch auf globale Vorherrschaft architektonisch sichtbar machen wollte. Tempelhof war damit weit mehr als ein Flughafen: Er war Teil eines inszenierten Großmachtentwurfs, ein Ausdruck totalitärer Ideologie im Gewand vermeintlicher Fortschrittlichkeit.
Zwangsarbeit und Zuflucht im Krieg
Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde der zivile Flugverkehr zwar eingeschränkt aber bis Kriegsende nie ganz aufgegeben. Der Flughafen diente aber zunehmend militärischen Zwecken. In den unterirdischen Werkshallen der Weser Flugzeugbau wurden Zwangsarbeiter zur Produktion von Kampfflugzeugen eingesetzt, insbesondere des Sturzkampfflugzeugs Junkers Ju 87. Tausende Menschen, darunter viele aus den besetzten Gebieten Osteuropas, mussten hier unter schwersten Bedingungen arbeiten.
Gleichzeitig boten die Bunkeranlagen des Flughafens während der alliierten Luftangriffe auf Berlin tausenden Berlinerinnen und Berlinern Schutz. Diese doppelte Nutzung macht die unterirdischen Bereiche des Tempelhofer Flughafens zu einem besonders ambivalenten Erinnerungsort. Heute wird dieser historische Widerspruch durch zahlreiche Gedenktafeln und geführte Rundgänge durch das Gebäude sichtbar gemacht.
Luftbrücke: Tempelhof als Lebensader

Nach dem Krieg wurde Tempelhof dann zum Symbol der Freiheit und zu einem zentralen Schauplatz des Kalten Kriegs. Während der Berliner Blockade 1948/49, als die Sowjetunion sämtliche Land- und Wasserwege nach West-Berlin kappte, organisierte die US-amerikanische Luftwaffe die Berliner Luftbrücke: Eine logistische Meisterleistung, bei der Flugzeuge im Minutentakt starteten und landeten.
Innerhalb eines Jahres wurden über zwei Millionen Tonnen Versorgungsgüter eingeflogen – Lebensmittel, Kohle, Medikamente. Die sogenannten „Rosinenbomber“, benannt nach den kleinen Päckchen mit Süßigkeiten, die die Piloten für Berliner Kinder abwarfen, machten Tempelhof weltberühmt. Ohne die Luftbrücke und ohne Tempelhof als ihre zentrale Lebensader hätte West-Berlin diese Monate der Isolation nach Einschätzung vieler Historiker vermutlich nicht überstanden.
Tor zur Welt für West-Berlin
Auch in den folgenden Jahrzehnten blieb Tempelhof ein Ort von internationaler Bedeutung. Nach dem Ende der Luftbrücke entwickelte er sich zu einem zentralen Drehkreuz des innerdeutschen Luftverkehrs für die West-Berliner. Für viele von ihnen wurde Tempelhof buchstäblich zum „Tor zur Welt“.
Auf dem Rollfeld prägten in dieser Zeit die markanten Heckflossen von Pan Am, British European Airways und später dann British Airways das Bild. Auch kleinere Anbieter wie Dan-Air und Tempelhof Airways, eine amerikanische Chartergesellschaft mit Sitz in Berlin, boten regelmäßige Verbindungen in westdeutsche Städte an.
Freiraum auf dem Vorfeld
Mit der Wiedervereinigung Deutschlands und der schrittweisen Verlagerung des Flugverkehrs nach Tegel verlor Tempelhof allmählich an Flügen und damit auch an Bedeutung. 2008 wurde der Flugbetrieb unter lautem Protest vieler Berlinerinnen und Berliner endgültig eingestellt. Die Frage, was mit dem riesigen Areal geschehen sollte, wurde zum Zankapfel der Stadtpolitik. Vor allem Pläne zur Bebauung stießen auf massiven Widerstand. Ein Volksentscheid im Jahr 2014 stoppte sämtliche Pläne und sicherte das Tempelhofer Feld in seiner heute bekannten Form.
Seitdem ist das früher abgesperrte Flughafengelände zu einem Ort geworden, der wie kaum ein zweiter im engen und hektischen Berlin für Freiraum und Entspannung steht. Denn hier wird gegärtnert, Sport getrieben oder man trifft sich mit Freunden. Die vermeintliche Brachfläche ist so ein lebendiger Ort geblieben. Und nun ist auch der ikonische Schriftzug „BERLIN – TEMPELHOF“ wieder da. Über dem weitläufigen Areal ist er weithin sichtbar – als leuchtender Fixpunkt, der die Geschichte dieses Ortes zurück in die Gegenwart holt. Und sie, im wahrsten Sinne des Wortes, sichtbar macht. Auch in der Dunkelheit.

