
Ab dem nächsten Jahr präsentiert die Lufthansa eine ihrer bedeutendsten historischen Maschinen – die Junkers Ju 52 mit der Kennung D-AQUI – im neuen Besucherzentrum am Frankfurter Flughafen. Gebaut wurde das berühmte Flugzeug 1936 im Junkers-Werk in Dessau. Die Maschine steht nicht nur für die frühen Jahre der Luftfahrt und die Rolle Dessaus als Zentrum des Flugzeugbaus, sondern erinnert auch an die Verstrickung der Vorkriegs-Lufthansa mit dem NS-Regime – ein Kapitel, das bis heute nur zögerlich aufgearbeitet wird.
- Die Ju 52 der Lufthansa zieht in das neue Besucherzentrum der Fluggesellschaft nach Frankfurt um.
- Von Norwegen über Südamerika bis in die USA – die Biografie der D-AQUI ist außergewöhnlich.
- 1984 kehrte die D-AQUI zurück nach Deutschland und wurde zum fliegenden Denkmal.
- Hugo Junkers machte Dessau zur Wiege des modernen Flugzeugbaus.
- Im NS-Staat wurde die Ju 52 zum militärischen Arbeitspferd – und Dessau zum Rüstungsstandort.
- Die geplante Ausstellung der Lufthansa ist auch eine Chance zur historischen Aufarbeitung.
Bevor Airbus seinen Riesenflieger A380 in Toulouse fertigte oder Jahrzehnte zuvor Boeing in Everett den Jumbojet präsentierte, galt eine kleine Stadt in Sachsen-Anhalt als weltweites Zentrum des modernen Flugzeugbaus. Gemeint ist Dessau, wo die Junkers-Werke in den 1920er- und 1930er-Jahren bahnbrechende Verkehrsflugzeuge entwickelten und produzierten. 1936 entstand dort eine Ju 52, die später unter dem Kennzeichen D-AQUI bekannt wurde – und über viele Jahre als fliegendes Denkmal an die Pionierzeit der deutschen Luftfahrt erinnerte. Nach Jahren in der Abstellung steht nun fest: Ab dem kommenden Jahr wird das legendäre Flugzeug wieder öffentlich zu sehen sein.
Neues Zuhause am Frankfurter Flughafen
Zuvor wird der historische Flieger in den kommenden Wochen in das neue Konferenz- und Besucherzentrum der Lufthansa am Frankfurter Flughafen überführt – das teilte der Konzern nun mit. Der Transport der Ju 52 erfolgt in Einzelteilen aus einem Hangar am Flughafen Paderborn/Lippstadt, wo das Flugzeug seit dem Ende seines Flugbetriebs im Jahr 2018 konserviert und teilrestauriert wurde. Im neuen Ausstellungsbereich soll die traditionsreiche Maschine künftig neben der legendären Lockheed Super Star der Nachkriegs-Lufthansa stehen – als zentrales Exponat einer Ausstellung, die im kommenden Jahr pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum der historischen Vorkriegs-Lufthansa eröffnet wird.

Dass gerade die Ju 52 in Zentrum der Ausstellung stehen wird, ist kein Zufall. Dieser Flugzeugtyp war schließlich das Arbeitspferd der Lufthansa in den 1930er- und 1940er-Jahren. Nach ihrer Einführung 1932 entwickelte sie sich schnell zum Rückgrat der Flotte, machte etwa die Hälfte des gesamten Flugzeugparks aus und wurde aufgrund ihrer Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit geschätzt. Ursprünglich als einmotoriges Flugzeug konzipiert, wurde sie später zu einem dreimotorigen Modell weiterentwickelt, das sich durch seine robuste Bauweise und einfache Wartung auszeichnete.
Weltreise in Blech und Nieten
Die in der geplanten Ausstellung zu sehende D-AQUI war jahrelang eines der letzten flugfähigen Exemplare ihres Typs – und blickt auf eine bemerkenswert bewegte Geschichte zurück. Die Maschine mit der Werknummer 5489 wurde im Jahr 1936 im Junkers-Werk in Dessau fertiggestellt und absolvierte am 2. April des Jahres ihren Erstflug. Nur wenige Tage später übernahm sie die Lufthansa und taufte sie auf den Namen „Fritz Simon“ – ein 1931 vor der Küste Kanadas verunglückter Lufthansa-Pilot. Zunächst war die Maschine von Travemünde aus im Einsatz, ehe sie bereits wenige Wochen später an die norwegische Fluggesellschaft Det Norske Luftfartselskap (DNL) verliehen wurde. Dort flog sie unter dem Kennzeichen LN-DAH – ausgerüstet mit Schwimmern – auf Linienverbindungen entlang der skandinavischen Küste.

Nach dem deutschen Überfall auf Norwegen wurde die Maschine zunächst von der Luftwaffe beschlagnahmt und an die Lufthansa zurückgeführt. Diese setzte sie – wie historische Flugplanunterlagen belegen – unter anderem auf der sogenannten Nordkaproute zwischen Trondheim und Kirkenes ein. Auch nach dem Krieg blieb die Ju 52 in Norwegen: Zunächst flog sie erneut für die DNL, später für das neugegründete Scandinavian Airlines System (SAS), ehe sie 1956 außer Dienst gestellt wurde.
Anstatt in ein Museum zu gelangen, trat die frühere D-AQUI eine ungewöhnliche Reise an: In Einzelteilen per Schiff nach Ecuador transportiert, wurde sie dort wieder zusammengesetzt und flog anschließend fünf Jahre lang im Linienbetrieb entlang des Amazonas. Danach wurde sie am Rande des Flughafens von Quito abgestellt – und geriet beinahe in Vergessenheit. Erst acht Jahre später entdeckte ein amerikanischer Flugzeugliebhaber die Maschine, setzte sie instand und brachte sie in die USA. Dort wechselte sie mehrfach den Besitzer, bis sie schließlich in den 1970er-Jahren beim Schriftsteller und Luftfahrt-Enthusiasten Martin Caidin landete. Er gab der betagten Fliegerdame den Namen „Iron Annie“ und präsentierte sie fortan auf zahlreichen Flugshows und historischen Luftfahrtevents.
Rückkehr als fliegendes Denkmal
Erst 1984 holte die Deutsche Lufthansa Berlin-Stiftung (DLBS) die Maschine zurück nach Deutschland. Nach einer aufwendigen Restaurierung erhielt die betagte Ju 52 ein modernisiertes Cockpit sowie drei zuverlässige Neunzylinder-Sternmotoren von Pratt & Whitney. Offiziell trug sie fortan die Kennung D-CDLH, wurde jedoch in historischer Lackierung mit dem traditionsreichen Kürzel D-AQUI versehen und auf den Namen „Berlin-Tempelhof“ getauft. Ab 1986 absolvierte sie tausende Rundflüge quer durch Europa. Für die Passagiere war es eine Zeitreise: mit knatternden Kolbenmotoren, großen Fenstern und einer Flughöhe, die die Welt unter ihnen wie eine Miniaturlandschaft erscheinen ließ.
Mehr als drei Jahrzehnte lang wurde die Maschine in den Sommermonaten von begeisterten Lufthansa-Piloten ehrenamtlich geflogen und im Winter von der Lufthansa Technik gewartet. Erst 2018 – im stolzen Alter von 82 Jahren und nachdem mehr als 250.000 Fluggäste in der 16-Sitze fassenden Kabine eine Zeitreise erlebten – musste die Lufthansa den Flugbetrieb ihrer Traditionsmaschine beenden. Bei einer baugleichen Ju 52 der Schweizer Ju-Air war es zum Absturz gekommen. Die Maschine war mit 20 Menschen an Bord in den Alpen verunglückt. Die Unfalluntersuchung brachte schwerwiegende technische Mängel zutage – jedoch nicht als unmittelbare Ursache. Vielmehr führten grobe Fehler der Piloten und des Betreibers zum Absturz. Infolge der Untersuchung ließ die Lufthansa ihre eigene Ju 52 aber eingehend prüfen. Dabei traten strukturelle Schwächen zutage, woraufhin die Maschine aus dem Betrieb genommen und eingelagert wurde.
Goldene Zwanziger für Junkers in Dessau
Parallel zur bewegten Geschichte dieses Flugzeugs lässt sich auch die seines Entstehungsortes erzählen. In den 1920er-Jahren war Dessau nicht nur Heimat der berühmten Junkers-Werke, sondern zugleich ein Zentrum technischer und gestalterischer Avantgarde. Hugo Junkers – Ingenieur, Unternehmer und Luftfahrtpionier – prägte diese Ära maßgeblich. Bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte er mit der F 13 das weltweit erste Ganzmetall-Verkehrsflugzeug – ein Meilenstein der Luftfahrttechnik, der den Weg für die industrielle Serienproduktion moderner Passagiermaschinen ebnete.
Wenige Jahre später entwickelte Junkers mit der G 24 sein erstes dreimotoriges Großflugzeug – ein weiterer Meilenstein aus Dessau. Bekannt wurde der Typ durch einen spektakulären 20.000-Kilometer-Flug von Berlin nach Peking. Die G 24 galt als wegweisend: Sie ermöglichte größere Reichweiten, bot Platz für mehr Passagiere und markierte den Beginn einer neuen Ära im kommerziellen Luftverkehr. Junkers versuchte, diese Vision in Dessau industriell zu realisieren – mit modernen Fertigungsstraßen, einem werkseigenen Flugplatz und einer Konstruktionsabteilung, die über Jahre hinweg international Maßstäbe setzte.

Doch der Höhenflug zu Beginn der Weimarer Republik hielt nicht lange an. Die Weltwirtschaftskrise setzte ab 1929 auch dem erfolgreichen Flugzeugbauer aus Dessau zu. Nur wenige Tage nach dem New Yorker Börsencrash am „Schwarzen Freitag“ hob in Dessau am 6. November 1929 die Junkers G 38 ab – das größte Landflugzeug seiner Zeit. Bis zu 30 Passagiere konnten in dem imposanten Viermotorer reisen, einige von ihnen sogar in Kabinen innerhalb der Tragflächen mit Panoramablick nach vorn. Doch das ambitionierte Projekt war wirtschaftlich nicht tragfähig: Nur zwei Maschinen wurden verkauft. Anfang der 1930er-Jahre gerieten die Junkers-Werke dann zunehmend in Schieflage.
Vom Verkehrsflugzeug zum Kriegsgerät – Ju 52 im Dienst des NS-Regimes
Gerade einmal zwei Wochen vor der Insolvenz im Frühjahr 1932 absolvierte ein neues Modell seinen Erstflug: die Ju 52/3m – später bekannt als „Tante Ju“. Sie sollte sich rasch zum erfolgreichsten Verkehrsflugzeug der Vorkriegszeit entwickeln. In den folgenden Jahren entstanden mehr als 4.000 Exemplare, viele davon in Dessau. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 endete jedoch die unternehmerische Ära von Hugo Junkers. Der pazifistisch gesinnte Ingenieur wurde enteignet und unter Hausarrest gestellt, sein Unternehmen gleichgeschaltet und zunehmend auf Rüstungsproduktion ausgerichtet.

Die Ju 52 selbst profitierte von dieser Umstellung: Als erstes Verkehrsflugzeug, das von Beginn an auch für den Militäreinsatz konzipiert war, wurde sie bald zur logistischen Hauptstütze der Wehrmacht. Während des Zweiten Weltkriegs diente sie nicht nur als Standard-Transportflugzeug der Luftwaffe, sondern kam bereits zuvor im Spanischen Bürgerkrieg und beim Überfall auf Polen auch als improvisierter Bomber zum Einsatz. Neben der Ju 52 fertigten die Junkers-Werke in Dessau später auch die berüchtigten Bomber Ju 87 „Stuka“ und Ju 88 – und griffen dabei zunehmend auf den Einsatz von Zwangsarbeit zurück. Das industrielle Potenzial Dessaus wurde so zu einer tragenden Säule der nationalsozialistischen Kriegswirtschaft.
Traditionspflege mit blinden Flecken?
Dass die Lufthansa nun ausgerechnet im Jubiläumsjahr der historischen Vorkriegs-Lufthansa die D‑AQUI als Glanzstück im neuen Besucherzentrum präsentiert, unterstreicht die Bedeutung, die das Unternehmen heute seiner eigenen Geschichte beimisst. Die “Tante Ju“ steht symbolisch für die frühen Jahre der Luftfahrt – doch gerade deshalb wäre es angemessen, wenn die Ausstellung auch die dunkleren Kapitel dieser Geschichte nicht ausklammert.
Ein solcher Schritt würde ein Umdenken der Lufthansa signalisieren. Denn seit Jahren kritisieren Historiker wie Lutz Budrass von der Ruhr-Universität Bochum, dass sich der Konzern zwar auf seine Neugründung im Jahr 1953 beruft, zugleich aber kaum zur Rolle der Lufthansa im Nationalsozialismus Stellung nimmt. Die Fluggesellschaft betont bis heute, keine Rechtsnachfolgerin der historischen Lufthansa zu sein, sondern ein eigenständiges Nachkriegsunternehmen. Entsprechend wurde etwa das Thema Zwangsarbeit in der Traditionspflege lange Zeit ausgeblendet – obwohl laut dem Berliner Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit allein Ende 1943 rund 6.600 Zwangsarbeiter für die damalige Lufthansa tätig waren. Das entsprach deutlich mehr als der Hälfte der gesamten Belegschaft.
Eine Ausstellung, die diesen Widerspruch in der historischen Selbstverortung offen thematisiert, würde nicht nur dem technischen Denkmal D-AQUI gerecht, sondern auch dem Anspruch eines verantwortungsbewussten Umgangs mit der eigenen Geschichte. Die „Tante Ju“ ist schließlich ein Teil deutscher Luftfahrtgeschichte – in all ihren Facetten. Wer sie ausstellt, übernimmt auch die Verantwortung, diese Geschichte vollständig zu erzählen.