
Zwei Jahrzehnte nach Inbetriebnahme der Nordbahn des Flughafen Leipzig/Halle hat der Piste der sogenannte Betonkrebs stark zugesetzt. Nun wird sie aufwendig saniert. Ein besonderer Splitt aus Sachsen-Anhalt soll helfen, dass die Piste danach den Belastungen deutlich länger standhält.
Seit Mitte April rollen auf der Nordpiste des Flughafens Leipzig/Halle schwere Baumaschinen statt gigantischer Jumbojets. Die Landebahn wird auf ihrer gesamten Länge von 3.600 Metern abgetragen. 40 cm tief graben sich die schweren Fräsmaschinen Schritt für Schritt in den Beton ein. Der ist an vielen Stellen brüchig geworden. Schuld ist eine Alkali-Kieselsäure-Reaktion (AKR), wie sie auch beispielweise auf vielen älteren Autobahnen auftritt. Umgangssprachlich ist dann von Betonkrebs die Rede.
Der wird vor allem dann gefährlich, wenn sich der poröse Beton löst und von den startenden oder landenden Flugzeugen in die Triebwerke gesogen wird. Der Beton könnte die Turbinen schwer beschädigen oder auch zu Triebwerksausfällen führen. In kritischen Flugphasen wie Start und Landungen hätte das schwerwiegende Folgen.
Verschiedene Betonrezepturen getestet
Damit es soweit gar nicht erst kommt, wird die obere Schicht der Landebahn nun für gut 90 Millionen Euro saniert. Dabei wird zunächst der alte schadhafte Beton entfernt und später durch eine neue Betondecke ersetzt. Um den Betonkrebs dann gleich von vornherein zu verhindern, seien bereits im Vorfeld verschiedenen Betonrezepturen getestet worden, erklärt Markus Repert, der die Sanierung der Nordpiste koordiniert: „Wir haben sogenannte AKR-Performance-Tests gemacht, ob eventuell wieder AKR-Schäden entstehen können. Wir haben uns dann auch für eine bestimmte Sorte an Splitt entschieden, nämlich den Löbejüner Quarzporphyr.“
Bei dem Löbejüner Quarzporphyr handelt es sich um Vulkangestein, das vor allem im Straßen-, Tief- und Gleisbau genutzt wird. Denn der daraus gewonnene Splitt gehört zu den wenigen Splittarten in Deutschland, bei denen der Betonkrebs nahezu ausgeschlossen werden kann. Entsprechend groß ist die Nachfrage, so Markus Repert: „Der Löbejüner Splitt wird sehr gerne verwendet, auch auf den umliegenden Autobahn-Baustellen. Deswegen ist er auch recht rar. Wir können daher pro Tag nur 1.500 bis 2.000 Tonnen Splitt aus Löbejün abrufen. Wir brauchen allerdings 180.000 Tonnen Splitt, um die ganze Start- und Landebahn wieder herzurichten.“
Materiallager am Flughafen soll Engpass verhindern
Um nun nicht inmitten der Arbeiten plötzlich ohne den dringend benötigten Splitt aus dem Steinbruch im Saalekreis dazustehen und möglicherweise den Zeitplan der Sanierung zu gefährden, hat der Flughafen schon vor Monaten damit begonnen, Splitt in rauen Mengen anliefern zu lassen und neben der Landebahn auf großen Halden zwischenzulagern. Tausende Tonnen des rot schimmernden Quarzporphyrs wurden hier zu Bergen aufgetürmt. Eine logistische Mammutaufgabe, so Flughafensprecher Uwe Schuhardt: „Wer schon selber mal eine kleinere Baustelle hatte, der weiß, was auf einen da zukommt. Da stecken mehrere Monate intensiver Arbeit in der Planung. Das ist schon eine logistische Herausforderung, der man sich hier gestellt hat.“
Neben der Sicherheit, stets genug Splitt vor Ort zu haben, birgt die Zwischenlagerung auf dem Flughafengelände noch einen weiteren Vorteil. Der Beton kann direkt vor Ort hergestellt werden und muss nicht umständlich von Betonwerken angeliefert werden. Diese kurzen Transportwege würden auch die Anwohner entlasten, erklärt Flughafensprecher Schuhart. So müssen die schwer beladenen Betonmischer nicht umständlich durch die umliegenden Ortschaften fahren. Auch der Splitt könne über die Autobahn 14 ohne Umwege direkt zur Baustelle gebracht werden.

Anwohner beschweren sich wegen nächtlicher Fräsarbeiten
Ganz ohne zusätzliche Lärmbelastungen scheint die Nordbahn aber nicht saniert werden zu können. Flughafensprecher Schuhart zufolge hat der Flughafen die Baumaßnahmen zwar lange im Voraus angekündigt. Dabei wurden die betroffenen Gemeinden im Umland über die Großbaustelle informiert. Doch anders als anfangs kommuniziert, fräst der Flughafen die Landebahn Nord nicht nur tagsüber, sondern auch mitten in der Nacht ab.
Das sorgte Anfang Mai bei den Anwohnern für Protest und dürfte das schwierige Verhältnis zwischen Anwohnern und Flughafen noch weiter belasten. Die bis in die Nacht verlängerten Arbeiten waren dem Airport zufolge aber notwendig geworden, weil die im alten Beton befindlichen Baustahlanker immer wieder zu Blockaden in den Fräsmaschinen führten. Um den Zeitplan einhalten zu können, sei es daher nötig gewesen, auf diesen Umstand mit erweiterten Betriebszeiten zu reagieren, so der Flughafen.
Betonarbeiten beginnen in Kürze
Zumindest das lärmintensive Abfräsen der alten Betonschicht soll Markus Repert zufolge, der die Sanierung der Nordpiste koordiniert, aber bald abgeschlossen sein. Denn der straffe Zeitplan sehe vor, dass schon in wenigen Tagen der erste frische Beton aufgetragen wird – zunächst auf den Rollwegen, später dann auf der Start- und Landebahn selbst.
Das sei dann noch einmal eine ganz andere Herausforderung, erklärt Matthias Hartmann, der als Projektleiter des Bauunternehmens Max Bögl die Betonarbeiten verantwortet: „Die ganze Start- und Landebahn ist nicht einfach nur flach, sondern hat ein Dachprofil. Das heißt, von der Mitte soll das Wasser direkt in die seitlichen angeordneten Schlitzrinnen ablaufen.“ Den künftigen Belastungen durch die tonnenschweren landenden Flugzeuge soll die Bahn Hartmann zufolge dann auch mühelos standhalten: „Durch die ganzen Dübel und Anker, die mit eingebaut werden, werden die Querkräfte und die Längskräfte übertragen. Und damit bleibt die Bahn in der Lage, in der sie auch hergestellt wurde.“

Landebahn soll im September wieder in Betrieb gehen
Markus Repert hofft, dass die Betonarbeiten bis Ende Juli abgeschlossen sind. „Dann kommt im August noch die Landebahnbefeuerung und -markierung drauf. Wir hoffen, dass wir Ende August, wenn alles gut läuft, die Landebahn fertiggestellt haben, sodass sie im September wieder in Betrieb gehen kann.“
Ob dieser Zeitplan gehalten werden kann, hängt aber von vielen Faktoren ab. Einer davon ist auch, wie sich die Corona-Lage weiter entwickelt, meint Flughafensprecher Uwe Schuhart: „Das geht mit ganz simplen Sachen wie Hygienekonzepten auf der Baustelle los. Gerade auf so einer Baustelle, wo Menschen zusammenkommen, müssen auch die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden.“
Allerdings habe man vor allem bei Passagierflügen noch immer viel weniger Verkehr am Flughafen. Schuhart ist daher zuversichtlich, dass man pünktlich fertig werde: „Man hat im Vorfeld sehr gründlich geplant. Wir sind sehr optimistisch, dass der Zeitplan wie bei allen anderen Bauvorhaben, die der Flughafen bis jetzt gestemmt hat, auch in diesem Fall eingehalten werden kann.“