Tailstrike in London: A300 aus Leipzig/Halle muss durchstarten

Der Tailstrike am Sonntag wurde vom Youtube-Kanal Big Jet TV aufgezeichnet.

Ein Airbus A300-600F der European Air Transport Leipzig (EAT) hat bei der Landung in London-Heathrow am Sonntagabend mit dem Heck die Piste berührt. Der Frachter musste durchstarten. Es ist nicht der erste derartige Vorfall bei der DHL-Tochter EAT.

Wie zuerst der Aviation Herald berichtete, setzte Flug QY2212 der EAT beim ersten Anflug auf Bahn 09L in London-Heathrow mit dem Heck auf – ein sogenannter Tailstrike. Die Besatzung brach die Landung daraufhin ab, startete durch und brachte die Maschine rund 20 Minuten später sicher auf der Parallelbahn 09R zu Boden. Der Mutterkonzern DHL teilte auf Anfrage von Luftraum Ost mit, dass alle Besatzungsmitglieder unverletzt blieben. Man arbeite mit den zuständigen Luftfahrtbehörden an der Aufklärung, könne jedoch bis zum Abschluss der laufenden Untersuchung keine weiteren Angaben machen.

Der Vorfall ereignete sich demnach gegen 17:12 Uhr Ortszeit, bei ruhigem Wetter. Den METAR-Daten des Flughafens zufolge herrschten zum Zeitpunkt des Anflugs leichte Ost-Nordost-Winde mit rund 4 Knoten (ca. 7 km/h), klarer Himmel und gute Sichtverhältnisse. Es gab keine Hinweise auf Turbulenzen, Böen oder andere wetterbedingte Störungen. Die Bedingungen gelten aus flugbetrieblicher Sicht als nahezu ideal.

Bereits 2024 EAT-Tailstrike in Leipzig

Dass es trotz dieser sehr guten Witterungsverhältnisse zum Tailstrike kam, erinnert an einen ähnlichen Vorfall im Februar 2024 – ebenfalls mit einem A300-600F von EAT, damals bei der Landung in Leipzig/Halle. Der mittlerweile veröffentlichte Abschlussbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) dokumentiert den Vorfall im Detail. Die Maschine setzte zunächst hart auf, sprang anschließend erneut in die Luft (Bounce) und schlug beim zweiten Aufsetzen mit dem Heck auf der Piste auf. Die Crew leitete daraufhin einen Go-Around ein und landete wenig später sicher auf der Parallelbahn. Die Rumpfunterseite wurde bei dem Tailstrike erheblich beschädigt, auch der Pistenbelag wies deutliche Schleifspuren auf. Verletzt wurde auch damals niemand.

Die Beschädigungen am Rumpf der im Februar 2024 von einem Tailstrike betroffenen A300. (Foto: BFU)

Die BFU führte den Tailstrike von Leipzig unter anderem auf eine Kombination aus zu hoher Anfluggeschwindigkeit, zu hoher Triebwerksleistung beim Aufsetzen und nicht ausgefahrenen Spoilern zurück. Hinzu kam ein Neigungswinkel (Pitch) von über 13 Grad, der die konstruktive Tailstrike-Grenze des A300 überschritt. Entscheidender Moment: Nach dem Bounce traf die Crew keine klare Entscheidung für ein sofortiges Durchstartmanöver – eine Verzögerung, die den Unfallermittlern zufolge maßgeblich zur Heckberührung beitrug.

Überdurchschnittlich viele Go-Arounds bei EAT

Der BFU zufolge führen die Maschinen von EAT vergleichsweise häufig Durchstartmanöver durch. Für das Jahr 2023 dokumentierte die Flotte insgesamt 28.905 Landungen und 257 Go-Arounds – das entspricht einer Quote von knapp 0,9 Prozent, also einem Go-Around auf etwa jede 110. Landung. Dieser Wert liegt deutlich über dem Durchschnitt: Untersuchungen der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA und der Flight Safety Foundation zufolge bewegt sich die Go-Around-Quote in der kommerziellen Luftfahrt in der Regel im Bereich zwischen 0,1 und 0,3 Prozent.

Für reine Frachtbetreiber wie EAT gibt es allerdings kaum öffentlich zugängliche Vergleichsdaten. Hinzu kommt: Frachtflüge finden häufig nachts und oft bei eingeschränkter Sicht statt. Zudem kann der Betrieb älterer Muster wie der A300-600, die über kein Fly-by-Wire-System verfügen, den Go-Around-Bedarf leicht erhöhen.

Die A300-Flotte der EAT ist zwar im Durchschnitt bereits über 25 Jahre alt, gilt aber noch immer als das Rückgrat der Flotte. (Foto: DHL-Group)

Als Reaktion auf den Tailstrike in Leipzig/Halle und die auffällig hohe Zahl an Go-Arounds hat EAT dem BFU-Bericht zufolge ein umfassendes Maßnahmenpaket eingeführt. Dazu zählen Safety Alerts mit klaren Handlungsanweisungen für das Ausschweben und das Verhalten im Falle eines Springens des Flugzeugs nach dem Aufsetzen, ein computerbasiertes Schulungsmodul zur „Hard Landing Avoidance“ sowie gezielte Zusatzeinheiten im Simulator. Im Fokus standen dabei unter anderem die Überwachung des Pitch-Winkels während des Abfangens, die Logik der Bremsklappen beim Aufsetzen sowie ein differenziertes Vorgehen je nach Höhe und Verlauf eines Bounce-Szenarios.

A300 bleibt möglicherweise länger am Boden

Ob EAT das bestehende Schulungspaket infolge des Vorfalls erneut anpasst, ist derzeit offen. Auf Nachfrage von Luftraum Ost verweist die Airline auf die laufende Untersuchung. Die in den Vorfall in London verwickelte A300 dürfte – wie nach Tailstrikes üblich – zunächst am Boden bleiben, bis der Schaden begutachtet und gegebenenfalls behoben ist. Angaben zum technischen Zustand oder zu betrieblichen Auswirkungen machte das Unternehmen bislang nicht.

Dass eine Rückkehr in den Flugbetrieb aber durchaus längere Zeit in Anspruch nehmen kann, zeigt der Fall jenes Frachters, der im Februar 2024 in Leipzig/Halle ebenfalls einen Tailstrike erlitt. Die Maschine kehrte laut Aerotelegraph erst vor wenigen Wochen – rund eineinhalb Jahre nach dem Zwischenfall – in den aktiven Betrieb zurück.

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